Caline Aoun ist »Artist oft the Year« der Deutschen Bank. Aus diesem Anlass präsentiert das PalaisPopulaire die Ausstellung »seeing is believing«, in der die 1983 in Beirut geborene Künstlerin zeigt, wie Technologie und Digitalisierung unsere Perzeption der Bilder und somit die Wirklichkeit beeinflussen.
Was wird in der Ausstellung geboten, die den Namen »Sehen ist Glauben« trägt? Es sind, mit Ausnahme von »Contemplating Dispersions«, vor allem Landschaften oder ihre Ausschnitte, die in der geräumigen Halle des PalaisPopulaire an den Wänden und auf dem Boden platziert wurden: eine Gartenlandschaft; eine hügelige Landschaft; ein an einen Stein erinnerndes Objekt, so leuchtend blau, dass sich dafür selbst Yves Klein hätte begeistern können; eine Installation aus in Kupfer gegossenen Piniennadeln. Der Ausgangspunkt von Celine Aouns Werken sind meistens Dinge, die sie in ihrer unmittelbaren Umgebung in oder vor Beirut findet und in Kunst transformiert: ein Vorgang, den die junge Künstlerin »Datentransfer« nennt. Sie schafft »stumme Landschaften«, die einerseits Geschichten über ihre Heimat erzählen, andererseits versuchen, den digital produzierten Bildern eine Materialität zu verleihen. Aouns installative und häufig ortsspezifische, raumgreifende Arbeiten sind das Ergebnis eines langen und kräftezehrenden Arbeitsprozesses, in dem sie das verwendete Werkzeug, wie etwa Tintenstrahldrucker, an die Grenzen der Leistungsfähigkeit bringt. Der Mensch überfordert und erschöpft die Maschine; die Maschine überfordert und erschöpft den Menschen. Nichts ist perfekt, denn jedes auch so vollkommene System kollabiert, wenn es maßlos angewendet wird. Es ist also Zeit, dem Lärm der heutigen Welt, der ständigen Zerstreuung und Ablenkung, »neue Formen der Stille« entgegenzusetzen.
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Aus den vier Fontänen der Installation »Infinite Energy, Finite Time« (2019) von Caline Aoun, die durch transparente Schläuche verbunden sind, sprudelt kein Wasser, sondern blaue, magentafarbene, gelbe und schwarze Tinte. Das sind die Farben des CMYK-Farbmodells, mit dem die meisten Druckmaschinen und Tintenstrahldrucker arbeiten. Im Laufe der Ausstellung »seeing ist believing« vermischt sich die Tinte so langsam, dass sie für das Auge unsichtbar, zu einer trüben Brühe, die immer klebriger wird und die Brunnen zu verstopfen droht.
In ihrer Installation »Contemplating Dispersions« (2018-2019) beschäftigt sich Caline Aoun mit der Dekonstruktion digitaler Perfektion. Über ein Jahr lang gab die Künstlerin fünf A3 Druckern den Auftrag, ohne Unterbrechung schwarze Seiten zu drucken. Das Resultat ihrer Arbeit ist ein großer Papierteppich, der wie geflochten wirkt, und auf dem das Schwarz immer blasser wird, in Pastellfarben übergeht und am Ende allmählich ganz verschwindet, sodass nur noch weiße Seiten sind zu sehen. Drei von den fünf Druckern haben dieses Kunst-Experiment unter dem Titel »Die Betrachtung der Farbzerlegung « nicht überstanden.
Die 192-teilige Wandinstallation »Lands of Matters«, die wie Fragmente einer hügeligen Landschaft aussieht, besteht in Wirklichkeit aus Diagrammen der zwischen 2004-2018 als See-und Luftfracht in Beirut umgeschlagenen Waren. Ferner werden in einem Live-Stream Aufnahmen von Meer bei Beirut übertragen, von der Stelle, wo sich dort Untersee-Internetkabel befinden.
Die von Britta Färber kuratierte Schau »seeing is beelieving« im PalaisPopulaire ist die erste Einzelausstellung der libanesischen Künstlerin Caline Aoun in Deutschland. Ein guter Anfang, der Appetit auf mehr macht.
Text & Fotos © Urszula Usakowska-Wolff
Caline Aoun: seeing is believing
bis 2. März 2020
PalaisPopulaire
Unter den Linden 5, 10117 Berlin
Öffnungszeiten: täglich außer Di 11-18 Uhr; Do 11-21 Uhr