wenn wir meinen, mit beiden beinen fest auf dem boden zu stehen, berühren unsere füße nicht die mutter erde. die ist verborgen unter einer künstlichen oberfläche aus beton und asphalt, aus pflaster und aufgeschüttetem kies. wieviel vielfältiger als diese beläge die erde ist, was sie uns verraten kann über ihre geschichte, ihre verbindungen und unseren umgang mit ihr, das hat herman de vries in einer enzyklopädie zusammengetragen, aus deren über 9000 seiten jetzt ein kleiner ausschnitt im georg-kolbe-museum zu sehen ist.
in einem saal kann man nicht nur einige der erdproben betrachten, die de vries bei spaziergängen und reisen gesammelt hat. er hat die erden auch zu einem feinen pulver gemahlen, dass sie wie pigmente verwandt werden können. auf weiße bögen aufgetragen hat er sie dann mit den handballen verrieben. so erblickt der besucher ein 66faches vielfarbiges kaleidoskop: blasses weiß, leuchtendes gelb, wärmendes rot und ruhiges braun.
gleich daneben füllt ein kreisförmiges objekt den boden eines raumes. herbstlaub und kleine äste und zweige, von den buchen und eichen des steigerwalds abgeworfen. das ist herman de vries‘ kunsterlebnis bei seinen spaziergängen in der region, die seit den siebziger jahren seine heimat ist. ambulo ergo sum.
die von de vries gesammelten pflanzen sind nicht einfach grünzeug. diese objets trouvées sind winterlicher natur. sie leben nicht mehr, sind aber beredte zeugen eines mannigfachen und für den blick oft rätselhaften lebens, der vielfältigen möglichkeiten des seins. sie zu beachten ist die aufgabe einer erfolgreichen ökologie. „natur ist sich selbst genug und soll dem menschen auch genug sein. was wir von der natur noch um uns finden können (und ich sage bewusst nicht ‚haben‘), hat keine menschlichen zufügungen nötig. sie ist sich selbst – und für uns eine offenbarung …“, sagt herman de vries.
der niederländische künstler herman de vries wurde 1931 in alkmaar geboren. Seit den 1960er jahren wandte sich der ausgebildete gärtner der kunst zu, zuerst in anlehnung an die gruppe ZERO. Mit der ausstellung seiner arbeiten bei der biennale von venedig 2015 fand er auch internationale beachtung.
Die konsequente kleinschreibung dieses textes folgt einer maxime von herman de vries, der so jede hierarchie zwischen sich und den dingen ablegt.
Text © Manfred Wolff
Fotos © Urszula Usakowska-Wolff
„herman de vries. how green is the grass“
Eine Ausstellung des Georg Kolbe Museums mit dem Umweltbundesamt
27. Januar bis 3. Mai 2020
Eröffnung am Sonntag, den 26. Januar 2020 um 11 Uhr.
Georg Kolbe Museum
Sensburger Allee 25
14055 Berlin
Öffnungszeiten: täglich 10-18 Uhr
www.georg-kolbe-museum.de