Die virtuosen Metamorphosen der kapriziösen Kreaturen
Die virtuosen Metamorphosen der kapriziösen Kreaturen

Die virtuosen Metamorphosen der kapriziösen Kreaturen

Die Ausstellung Kapriziöse Kreaturen mit Zeichnungen von Irmina Pisarek aus Bydgoszcz und Gedichten von Urszula Usakowska-Wolff aus Berlin kann noch bis zum 14. Juni im Projektraum art.endart in Berlin-Wedding besichtigt werden.

Es ist ein eigenwilliges, rätselhaftes und faszinierendes Universum, das Irmina Pisarek (* 1987) schafft. Ihre altmeisterlichen Zeichnungen bevölkern hybride Wesen, die sich einer eindeutigen Beschreibung entziehen, denn sie unterliegen einer ständigen Metamorphose. Der Fundus, aus dem die polnische Künstlerin schöpft, ist die Kultur und die Natur. Indem sie die Grenzen zwischen ihnen verwischt oder fließend erscheinen lässt, zeigt sie, wie sie sich gegenseitig bedingen, durchdringen und zu Formen mutieren, die durch Üppigkeit, Verspieltheit und paradoxe Verkleidung verblüffen: Da gibt es zum Beispiel eine Figur, die auf den ersten Blick einer Sirene ähnelt. Und in der Tat sieht sie wie eine schraffierte und geschummerte entfernte Verwandte der Kleinen Meerjungfrau aus Kopenhagen aus. Beim genauen Hinschauen fällt aber auf, dass die Zeichnerin aus Bydgoszcz ihrer Knienden eine Maske aufgesetzt hat: die eines Fischkopfs mit einem Umhang, dessen Muster wie das eines liturgischen Gewandes anmutet. Es verhüllt die linke Brust dieser Mischung aus einer umgekehrten Sirene und Amazone, doch ihre massiven und behaarten Oberschenkel, vor allem der rechte, sehen gar nicht weiblich aus. Ist es eine androgyne Gestalt – oder ein Sinnbild des Animalischen, das selbst unter der raffiniertsten Verkleidung schlummert?

Geschöpfe, auch ohne Köpfe

In Irmina Pisareks polymorpher Welt ist nichts eindeutig, alles ist erdenklich und vorstellbar: ein hundeähnlicher Zyklop mit einer Brustwarze anstelle der Pupille; eine Halbfigur im Halbprofil, die aus einem Ibiskopf, einer Pferdekruppe und zwei Händen besteht; Vogelhälse, die auf dem Rücken eines muskulösen vierbeinigen Riesen wachsen. Irmina Pisarek bringt das, was nicht zusammengehört, zusammen. Ihre Kapriziösen Kreaturen sind eine Hommage an die launischen Geschöpfe der Natur, die man vielleicht zähmen, aber nie ganz bändigen kann. In ihren Zeichnungen finden sich auch viele Spuren, die in die Literatur- und Kunstgeschichte führen. Sie spielt mit dem Motiv der Verwandlung, variiert es, defragmentiert menschliche, tierische Körper und Pflanzen, um daraus Gebilde voller Widersprüche und sanfter Ironie zu schaffen. Die junge polnische Künstlerin zeigt, dass im Reich der Fantasie alles gedeihen kann: fischköpfige Amazonensirenen, Schädelflieger, Hirsche mit einem Geweih aus Händen unter den Ohren, die Grimassen schneiden und Kapriolen machen, obwohl sie bis zu den Vorderbeinen in einem Welsmaul stecken. Es gibt nichts, was es nicht gibt, vielleicht außer Worten, die vermögen, ihre Kreaturen angemessen zu beschreiben. Wie dem auch sei: Die erste Ausstellung von Irmina Pisarek in Berlin spricht Bände und kann sich gut sehen lassen. Also: Auf keinem Fall verpassen!

Text © Urszula Usakowska-Wolff, Fotos © Irmina Pisarek

Irmina Pisarek, geb. am 27. Dezember 1987 in Skarżysko-Kamienna, studierte Malerei an der Jan-Kochanowski-Universität in Kielce. Die polnische Malerin, Zeichnerin und Illustratorin lebt und arbeitet als Grafikerin bei der Tageszeitung Gazeta Wyborcza in Bydgoszcz. Sie ist Mitglied der interdisziplinären Künstlergruppe „Czarny Karzeł” (Schwarzer Zwerg“) in Bydgoszcz.

Ausstellungsdauer 01.-14. Juni 2019
Do-So 14 bis 18 Uhr

www.koloniewedding.de/artendart/