Franz Hals: Meister der magischen Momente
Franz Hals: Meister der magischen Momente

Franz Hals: Meister der magischen Momente

An ihrem Lächeln werdet ihr sie erkennen: Das trifft auf die von Frans Hals porträtierten Männer, Frauen und Kinder der Haarlemer Elite seiner Zeit zu, deren Konterfeie oder Gruppenbilder wie nicht inszenierte, unverstellte und von der Statuarik befreite Momentaufnahmen wirken. In seiner gestischen Malerei mit gleichsam unscharfen und präzisen Bildpartien würdigte er nicht nur die Angesehenen, Betuchten und Mächtigen, sondern die von der bürgerlichen Oberschicht nicht wahrgenommenen oder verachteten Sonderlinge, Narren, Huren, Komödianten, Verrückte, Bettler, Säufer und Säuferinnen mit kaputten Zähnen, doch voller Frohsinn und Anmut, Selbstbewusstsein und sprühender Energie. Des Malers aufmerksamer, jedoch wohlwollender und vorurteilsfreier Blick galt also sowohl jenen, die zu den Nutznießern des Goldenen Zeitalters in den Niederlanden im 17. Jahrhundert gehörten, als auch den Not leidenden, Marginalisierten und Benachteiligten, die versuchten, durch Musik, Narretei und andere Vergnügen, etwas Glanz, Farbe und Frohsinn in ihre Existenz zu bringen.

Blick in die Ausstellung "Frans Hals. Meister des Augenblicks, Gemäldegalerie Berlin 2024. Foto: Urszula Usakowska-Wolff
Blick in die Ausstellung „Frans Hals. Meister des Augenblicks, Gemäldegalerie Berlin 2024. Foto: Urszula Usakowska-Wolff

Carpe Diem ohne Hierarchien

Es ist nicht zu übersehen, dass Frans Hals keine Hierarchien und Standesunterschiede respektierte: Als Sujets waren ihm die da oben genauso wichtig wie die da unten. Großbürgerliche Granden in noblen Gewändern und das schlicht gekleidete Gesinde kamen gleichberechtigt auf seinen Gemälden zur Geltung. Diese Attitüde sowie der lockere, dynamische und zugleich skizzenhafte Malstil trafen damals auf wenig Verständnis. Frans Hals war ein Maler des Carpe Diem und nicht des im Barock üblichen Memento Mori.

Blick in die Ausstellung "Frans Hals. Meister des Augenblicks, Gemäldegalerie Berlin 2024. Foto: Urszula Usakowska-Wolff
Blick in die Ausstellung „Frans Hals. Meister des Augenblicks, Gemäldegalerie Berlin 2024. Foto: Urszula Usakowska-Wolff

Mit dem Pinsel fechten

Obwohl er weit über 200 Bilder gemalt haben soll, führte er wohl ein entbehrungsreiches, von Armut und persönlichen Tragödien überschattetes Leben. Er starb am 26. August 1666 mittelos in einem Haarlemer Obdachlosenheim. Danach wurde es still um die Kunst von Frans Hals. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte ihn der angesehene französische Kunstkritiker Théophile Thoré-Bürger in Erinnerung, der über den vergessenen Meister aus Haarlem 1868 unter anderem folgende Worte schrieb: »Man ist versucht zu sagen, Franz Hals male wie man fechtet, und dass er mit dem Pinsel umgeht, wie mit einem Florett.«

Frans Hals, Der lachende Kavalier, 1624, Gemäldegalerie Berlin, 2024. Foto: Urszula Usakowska-Wolff
Frans Hals, Der lachende Kavalier, 1624, Gemäldegalerie Berlin, 2024. Foto: Urszula Usakowska-Wolff

Halskrausen, Hüte und Hauben

Wie er mit dem Pinsel bei den Bildnissen seiner Auftraggeber, Respektpersonen und Namenlosen aus dem so genannten einfachen Volk umging, das zeigt die fulminante monografische Ausstellung »Frans Hals. Meister des Augenblicks« in der Berliner Gemäldegalerie. Da er einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Malerei der Moderne hatte, werden neben seinen 50 Porträts und Genreszenen auch fast 30 Werke präsentiert, darunter von Max Liebermann, Wilhelm Leibl und Lovis Corinth, die in Dialog mit den Schöpfungen ihres künstlerischen Vorbilds treten. In den grau- oder weinrot gestrichenen Räumen herrscht eine heitere, ausgelassene, das heißt: eine gar nicht museale Atmosphäre. Die Herren, Damen und Nachkommen der Haarlemer Hautevolee wie zum Beispiel »Der lachende Kavalier« (1624), »Das Ehepaar – vermutlich Isaac Abrahamsz Massa und Beatrix van der Laen« (um 1622) oder »Catharina Hooft mit ihrer Amme« (1619-1620) scheinen sich, trotz ihrer unbequemen, aber standesgemäßen Kleidung mit Halskrausen, Hüten und Hauben, in ihrer Haut sichtlich wohlzufühlen und die Masse des Publikums sowie sein großes Interesse zu genießen. Die meisterhaft ausgearbeiteten Details ihres Outfits, die aufwendigen Stickereien und andere Verzierungen sehen täuschend echt aus. Kein Wunder, denn mit edlen Stoffen und Gewändern musste sich der 1582 oder 1583 in Antwerpen als Sohn eines Tuchhändlers geborene Maler bestens auskennen.

Frans Hals, Malle Babbe, um 1640-1646. Gemäldegalerie Berlin 2024. Foto: Urszula Usakowska-Wolff
Frans Hals, Malle Babbe, um 1640-1646. Gemäldegalerie Berlin 2024. Foto: Urszula Usakowska-Wolff

Busen, Eule, Kelch und Laute

Noch ungezwungener und direkter scheinen die von Frans Hals auf die Leinwand oder Holz gebannten Angehörigen der Unterschicht zu sein. Unglaublich vital und souverän wirken die Porträts, darunter »La Bohémienne« (um 1626) mit verführerischem Blick und fast blankem Busen, die sich ihrer Anziehungskraft bewusst ist, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben, und die legendäre »Malle Babbe« (Verrückte Barbara, um 1640/1646) mit Eule und Kelch als Sinnbilder der Trunksucht. Eine große Sympathie empfand Frans Hals auch für musikalisch begabte Jungen, was der in einem Narrenkostüm dargestellte » Lautenspieler« (1623) veranschaulicht, dessen Darbietung und Verkleidung seinen Herrschaften wohl großes Vergnügen bereiteten.

Frans Hals, Lautenspieler, 1632. Gemäldegalerie Berlin 2024. Foto: Urszula Usakowska-Wolff
Frans Hals, Lautenspieler, 1632. Gemäldegalerie Berlin 2024. Foto: Urszula Usakowska-Wolff

Entzückend und beglückend

Wie man sieht, waren für den Maler weder die gesellschaftliche Position noch die psychische Kondition der Dargestellten entscheidend. Frans Hals wollte einfach den Augenblick, oder genauer: eine ganze Reihe magischer Momente festhalten, damit sie sich ins Gedächtnis einprägen und die Betrachter jedes Mal auf Neue entzücken und beglücken können. Was 1648 der Humanist, Dichter und Haarlemer Chronist über den Künstler schrieb, ist heute, fast vier Jahrhunderte später, immer noch gültig: »Frans Hals übertrifft durch seine außergewöhnliche Art zu malen, die ihm eigen ist, fast alle, denn in seiner Malerei ist solch eine Kraft und ein Leben, dass er mit seinem Pinsel der Natur selbst zu trotzen scheint, davon zeugen seine Porträts, […] die so gemalt sind, dass sie zu atmen und zu leben scheinen.«