Ein Gespräch mit Kirsten Klöckner über ihre Zusammenarbeit mit Sigmar Polke, den die Akademie der Künste mit einer großen Ausstellung ehrt.
Die in Berlin lebende Malerin und Objektkünstlerin Kirsten Klöckner wurde 1962 in Braunschweig geboren, von 1983-86 studierte sie Bildhauerei in der Klasse Ruthenbeck an der Kunstakademie Münster, 1990 eröffnete sie in Düsseldorf die Verlagsgalerie Edition Klöckner mit Grafiken und Multiples, unter anderem von Felix Droese, Panamarenko, Nam June Paik, Klaus Staeck und Sigmar Polke.
Von Urszula Usakowska-Wolff
Frau Klöckner, Sie sind Künstlerin und treten jetzt neben Klaus Staeck als Mitkuratorin der Ausstellung »Sigmar Polke – Eine Hommage. Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck« auf, die in der Akademie der Künste am Pariser Platz gezeigt wird. Wie ist es dazu gekommen?
Weil ich nicht nur Künstlerin sondern auch Verlegerin bin. Klaus Staeck und ich haben oft zusammen gearbeitet, ich als Künstlerin für seine Edition, oder eben auch als seine Verlegerin. Er fand es gut, jemanden dabei zu haben, der das gezeigte Material kennt. Diese Ausstellung dokumentiert viele Jahre der Zusammenarbeit zwischen Klaus Staeck und Sigmar Polke, ein Paar Punkte, an denen ich mitarbeiten konnte, und natürlich auch Polkes politisches Interesse, das zum Beispiel deutlich wird bei der Betrachtung der Editionen »Entartete Kunst« oder »Kölner Bettler«. Er war nicht unpolitisch, kein Spaßkünstler. Seine Kunst ist keine Dekoration.
Wie viele Arbeiten von Sigmar Polke haben Sie in Ihrer Edition veröffentlicht?
Acht Editionen von Sigmar Polke habe ich herausgegeben. Sie werden in dieser Ausstellung gezeigt, auch die »Kulturschablone«, die am Anfang unserer Zusammenarbeit stand. Es ist ein Blatt, das von einer Seite der Zeitung Kölner Stadtanzeiger ausgeht, worin zwei Löcher ausgestanzt sind. Es heißt »Kulturschablone«, denn Sigmar Polke wollte, dass jeder es mit dem füllen kann, was er will, denn jeder Mensch sollte die Freiheit besitzen, sich seine Kultur selbst zusammen zu stellen. Der Künstler gibt nur den Rahmen. Die »Kulturschablone« ist mein Lieblingsblatt, denn es zeigt, dass Kultur kein Gedanke ist, der von oben nach unten gereicht wird, sondern jedermanns Sache.
Sigmar Polke soll recht menschenscheu gewesen sein und die Öffentlichkeit gemieden haben. Wie konnten Sie sein Vertrauen gewinnen?
Dass er menschenscheu gewesen sein soll, ist mir nicht aufgefallen. Ich habe Klaus Staeck häufig bei seinen Terminen in Polkes Atelier begleitet. Bei diesen Gelegenheiten zeigte er sich eher als ein Mensch mit breiten Interessen und enormen Wissen – und dabei ausgesprochen neugierig und gesprächsfreudig.
In der Ausstellung »Sigmar Polke – Eine Hommage« werden nicht nur die von Klaus Staeck und Ihnen editierten Blätter des am 6. Juni 2010 in Köln verstorbenen Künstlers gezeigt, sondern auch Faxe, die die Herren sich geschickt hatten. Man weiß, dass Sigmar Polke selten ans Telefon ging, es war fast nicht möglich, sich spontan mit ihm zu treffen…
An spontane Treffen kann ich mich nicht erinnern. Wenn eine Auflage fertig war und signiert werden musste, hat Klaus Staeck ständig Faxe an Polke geschickt, denn er brauchte einen Termin mit dem Künstler, der mehrere Stunden Zeit zum Signieren haben musste. Wenn der Künstler nicht antwortete, wiederholte er das, und war nicht beleidigt, sondern machte das so lange, bis doch eine Antwort kam. Und Sigmar Polke hatte viele Termine, zwischendurch wollte er arbeiten. Die Ausstellung in der Akademie der Künste ist nicht zuletzt auch das Dokument einer Künstlerfreundschaft. Es werden Siebdrucke und Lithografien, Ausstellungsplakate, Postkarten und Faxe gezeigt, die Klaus Staeck an Polke geschrieben hat. Sie machen klar, was alles unternommen werden musste, damit ein Termin zustande kam. Sehr wichtig ist auch die Werkserie »Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen« von 1974-76, die die Michael & Susanne Liebelt-Stiftung aus Hamburg ausgeliehen hat. Es ist etwas ganz Besonderes, dass diese zehn großen Arbeiten in der Akademie der Künste gezeigt werden dürfen.
Was für ein Mensch war der Künstler Sigmar Polke?
Er war ironisch und humorvoll, dabei hoch interessiert am gesamten Weltgeschehen. Ich mochte ihn. Es gibt ein Tondokument in der Ausstellung, das beim Signieren, einer sehr langweiligen Tätigkeit, entstanden ist. Stellen Sie sich vor, Sie haben mehrere Grafikauflagen von siebzig Stück und Sie müssen jedes Mal Ihren Namen darunter schreiben und vor allem die Nummerierung einhalten. Das ist anstrengend für den Künstler. Für die anderen auch, und alle müssen aufpassen, dass nichts durcheinander geht. Und Sigmar Polke neigte dazu, langweilige Regeln zu brechen, einen falschen Namen zu schreiben oder einfach keine Lust mehr zu haben. Wir haben also Spiele daraus gemacht, wir haben die Titel gesungen, die er schreiben musste, die Nummerierung angesagt. Einen kleinen Eindruck von dieser Situation vermittelt unser Tonband, das wir einmal zufällig aufgenommen haben. Ich bin immer gern zu Sigmar Polke gefahren: Ich wusste, dass es anstrengend sein wird. Auch wenn wir einen Termin hatten, wussten wir nicht, ob er pünktlich kommen wird. Wir wussten, dass wir warten müssen. Wir haben uns ein Picknick mitgenommen und vor der Tür kampiert, bis er kam. Man musste schon recht flexibel sein, Zeit haben und sich darauf einlassen, dass etwas Unerwartetes passieren kann. Ein Treffen mit Sigmar Polke war immer ein Abenteuer.
Text © Urszula Usakowska-Wolff
Erschienen im strassen|feger 2 / Januar 2011
Foto: Kirsten Klöckner vor der dreiteiligen Siebdruckedition »Rechts- oder Linksseher« (2001) von Sigmar Polke, Ausstellung »Sigmar Polke – Eine Hommage. Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck«, AdK, 14.01.-13.03.2011, aufgenommen am 19. Dezember 2010, © Urszula Usakowska-Wolff
Sigmar Polke – Eine Hommage.
Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck
14.01.-13.03.2011
Akademie der Künste
Pariser Platz 4
10117 Berlin
Di-So 11-20 Uhr
Eintritt 6/4 Euro,
bis 18 Jahre und am 1. Sonntag im Monat Eintritt frei.