Sie stehen, sitzen, liegen. Einzeln, zu zweit, in Dreiergruppen. Die Köpfe gerade, geneigt, von einer Hand gestützt. Die Arme ausgestreckt, verschränkt, an den Körper gepresst. Die Beine nebeneinander gestellt, fest auf dem Boden, übereinander geschlagen, gespreizt. Sie sind barfuß oder tragen flache Schuhe, Jeans, Dreiviertelhosen, T-Shirts, gestrickte Pullover, Strickkleider und Abendroben, die wie eine zweite Haut aussehen. Die Köpfe der Akte schmücken Turbane. Diese vorwiegend weiblichen Geschöpfe sind seltsam leblos, obwohl sie die Bewegung personifizieren. Sie vermitteln den Eindruck, als seien sie in ihren Gedanken so tief versunken, dass sie sich nicht mehr regen, dass sie von der äußeren Welt nichts mehr wissen wollen. Sie haben sich in Statuen verwandelt, weil sie nur in dieser Form so schön verweilen, so ewig weiblich und von der Zeit unberührt bleiben können, immer mitten im Frühling, in der Blüte ihres Lebens. Solche Figuren sind das Werk des Bildhauers Robert Metzkes, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert. Aus diesem Anlass zeigt das Georg-Kolbe-Museum seine Ausstellung »Menschenbilder«.
Von Urszula Usakowska-Wolff
Es sind 20 zum Teil lebensgroße Skulpturen, Torsi und Büsten, fast alle aus engobiertem Terrakotta, die in einem aufwendigen und langwierigen Prozess vom Künstler in seinem Atelier in Berlin-Karlshorst persönlich geformt, bemalt und gebrannt wurden. Diese genau vorgegebene, langsame und umsichtige Entstehungsweise scheinen sie verinnerlicht zu haben, denn die Figuren wirken friedlich, ruhig und entspannt, sie strahlen eine positive Energie aus und laden zum Verweilen und zur Kontemplation ein. Das Publikum fühlt sich erleichtert, denn es begegnet einer Kunst, die nichts anderes und nichts mehr sein will als Kunst. Es ist eine Kunst, mit der man sich gern identifiziert, denn die dargestellten Menschen sind authentisch, alltäglich und normal. Wenn sie sich voneinander unterscheiden, dann nur durch Äußerlichkeiten, durch Kleider, Kopfbedeckungen oder schmückende Accessoires wie Schals. Ihre Gesten und Körperhaltungen sind uns allen eigen. Sie sind typisch und individuell, einmalig und gewöhnlich, so wie jeder Mensch als einzigartiges Wesen nur unter anderen Menschen existieren kann.
Vertraute Figuren
Dass Robert Metzkes der Schöpfer der »Menschenbilder« ist, merkt man ihm sofort an: Viele Figuren sehen ihm ähnlich, sie haben ovale Gesichter mit geschwungenem Kinn, glattem Teint, ausgeprägten Wangenknochen, großen, aber schön geformten Nasen und etwas abstehenden Ohren. Das ist kein Zufall, denn die Modelle der »Menschenbilder« stammen aus seinem Familien- und Bekanntenkreis. Dadurch wirken seine Figuren, darunter sein Sohn Hans, sehr vertraut, sie erinnern an Menschen, die sich in unserem Umfeld bewegen, die auch unsere Verwandten oder Freunde sein könnten, denn sie sind Kinder unserer Zeit. Es sind bewegende und überzeugende »Menschenbilder« aus den letzten 30 Jahren, zeitgenössisch im Ausdruck, klassisch in der Form: Der Künstler setzt die Tradition fort und knüpft an die ägyptische, etruskische und modernistische Bildhauerei an. Viele seiner Arbeiten sehen aus, als stammen sie aus alten Zeiten, nur dass seine heutigen Varianten der Nofretete keine Göttinnen sind, sondern Frauen und Mädchen, die aus dem Alltag kommen. Ihre Schönheit hat nichts Spektakuläres, sie ist vergänglich, doch als Kunst werden sie nie altern. Wenn die Skulpturen von Robert Metzkes eine Botschaft haben, lautet sie: Die Jugend und das Leben sind vergänglich. Die Schönheit seiner Figuren, die in sich ruhen und sich in die Welt ihrer Träume zurückziehen, ist von einem Hauch von Wehmut umweht: Der bronzene »Herbst« sitzt schon auf einer Bank im Garten.
Leute von heute
Robert Metzkes, der 1954 in Pirna geboren wurde, in Dresden Bildhauerei studierte und 1977 nach Ost-Berlin zog, stammt aus einer Familie, in der Kunst zum Alltag gehörte. Seine Eltern sind Künstler, die Mutter Elrid ist eine Weberin, der Vater Harald ist ein bekannter Maler, dank seiner Schwester Verena Hann, einer Keramikerin, fand er den Stoff, aus dem seine Skulpturen sind: Terrakotta. Die familiären Einflüsse sind in seiner Kunst nicht zu übersehen: Die Skulpturen sind eine räumliche Umsetzung der Malerei, sie tragen Kleider, die durch eine »textile« Genauigkeit bestechen. Jede Falte, jedes Muster, jeder Stoff sind auf Anhieb erkennbar. Das verleiht seinen Figuren, die in der Tradition der klassischen Bildhauerkunst stehen, eine große Aktualität. Die Liegenden, Sitzenden und Stehenden sind unverkennbar Leute von heute. In Tops, plissierten Abendroben, Jeans, Polka-Dot-T-Shirts und Cordhosen. Im Gespräch mit Julia Wallner, Direktorin des Georg-Kolbe-Museums, nachzulesen im Katalog der Ausstellung »Menschenbilder«, sagt Robert Metzkes: »Eine Figur führt ihr eigenes Leben, das sich vom tatsächlichen Leben ablöst, ablösen muss. Man braucht als Künstler das reale Erlebnis auch als Funken zur Vergegenwärtigung der Vorbilder. Die Bildhauerei ist eine Form, die ganze Welt in Besitz zu nehmen. Es ist eine Möglichkeit, dem Gegenüber nahe zu kommen. Eine Legitimation des Dargestellten aus dem eigenen Erleben der Wirklichkeit ist für mich notwendig, sonst bleiben die Dinge leer.«
Text & Fotos © Urszula Usakowska-Wolff
Erschienen im strassen|feger 10, Mai 2014
Robert Metzkes
»Menschenbilder«
6.04.-9.06.2014
Georg-Kolbe-Museum
Sensburger Allee 25
14055 Berlin
Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr
Eintritt 5 / 3 Euro
Katalog 15 Euro