Sehen, ohne viel zu verstehen: Die Shortlist-Ausstellung im Hamburger Bahnhof
Sehen, ohne viel zu verstehen: Die Shortlist-Ausstellung im Hamburger Bahnhof

Sehen, ohne viel zu verstehen: Die Shortlist-Ausstellung im Hamburger Bahnhof

Für die Shortlist des Preises der Nationalgalerie 2019 wurden diesmal die Künstlerinnen Pauline Curnier Jardin, Flaka Haliti, Katja Novitskova und der Künstler Simon Fujiwara nominiert, weil die Jury »sie als wichtige und wegweisende Akteure in der gegenwärtigen künstlerischen Landschaft erachtet.« Die Shortlist-Ausstellung ihrer Werke ist noch bis zum 16. Februar 2020 im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart zu sehen.

Katja Novitskova, Pauline Curnier Jardin, Flaka Haliti und Simon Fujiwara,  Hamburger Bahnhof, 15.08.2019. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Katja Novitskova, Pauline Curnier Jardin, Flaka Haliti und Simon Fujiwara, Hamburger Bahnhof, 15.08.2019. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Alle vier für den Preis der Nationalgalerie 2019 Nominierten arbeiten, was heute keine Seltenheit ist, wie Bühnenbildner, und inszenieren ein großes und zum Teil buntes Spektakel, von dem sich der Betrachter manchmal überwältigt, manchmal überfordert oder erdrückt fühlt, denn die Masse der optischen und akustischen Reize und der eingesetzten Medien ist nicht leicht zu bewältigen. Mit einer Ausnahme sind die »räumlichen Ensembles« eine Mischung aus Konzeptkunst und Readymades. Der Aufwand, den diese Art von Kunst erfordert, ist riesig. Ihr Inhalt ist vage. Deshalb braucht diese Kunst einen ausführlichen schriftlichen Unterbau, aus dem hervorgeht, mit welchen wichtigen aktuellen und historischen Problemen sie sich auseinandersetzt.

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Flaka Haliti vor ihrer Installation "Its urgency got lost in reverse (while being in constant delay #2, 2018 und #3", (2019), Hamburger Bahnhof, 15.08.2019. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Flaka Haliti vor ihrer Installation „Its urgency got lost in reverse (while being in constant delay #2, 2018 und #3“, (2019),
Hamburger Bahnhof, 15.08.2019. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Die großräumige Installation unter dem etwas seltsamen Titel »Its urgency got lost in reverse (while being in constant delay #2, 2018 und #3« von Flaka Haliti (* 1982 in Pristina, lebt in München) besteht aus graffitiartigen Zeichnungen, Neonröhren, Konstruktionen aus Metall und Tapeten mit Mustern, die an Waben, Netze und Flügeln erinnern. Dazwischen haben zwei Roboter ein Domizil gefunden. Viele der Bestandteile dieses üppigen, jedoch recht kühl wirkenden Werkes hat die Künstlerin in den einstigen Feldlagern der Kosovo Force (KFOR) gesammelt. Ein Thema, das diese Künstlerin bewegt, ist die Identität und wie sie von Herkunft, Aussehen und Geschichte beeinflusst, verinnerlicht, reflektiert und von anderen wahrgenommen wird.

Pauline Curnier, "Explosion Ma Baby" (2016), Installationsfragment. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Pauline Curnier Jardin, „Explosion Ma Baby“ (2016), Installationsfragment. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

In der Shortlist-Ausstellung zeigt Pauline Curnier Jardin (* 1980 in Marseille, lebt in Berlin), die, wie am 12. September 2019 die Jury bekannt gab, zur Trägerin des Preises der Nationalgalerie 2019 gekürt wurde, ihre drei Mixed-Media-Installationen »Peaux de Dames in the Hot Flashes Forrest« (2019), »Explosion Ma Baby« (2016) und »Qu’un Sang Impur« (2019). Die Themen der aus Frankreich stammenden Künstlerin sind Frauen in den Wechseljahren, die an den sie keinen Blick würdigenden jungen Männern Rache nehmen, und überhaupt die von Männern dominierte Welt. Jardins Arbeiten bestechen durch schwarzen Humor, überraschende Wendungen und Pointen.

Katja Novitskova, "Pattern of Activation" (2017), Installationsfragment. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Katja Novitskova, „Pattern of Activation“ (2017), Installationsfragment. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Die Post-Internet-Artistin und Wissenskünstlerin Katja Novitskova (* 1984 in Tallin, lebt in Amsterdam und Berlin). liebt den Horror vacui. Ihre opulente siebenteilige Installation ist ein Wunder der Technik; sie besteht aus elektrischen Babyschaukeln, Roboterkäfern, Lasern, Digitaldrucken auf Aluminium- und Stahlskulpturen, einer digitalen Projektion und der Musik von Kareem Lotfy. Die Masse der durch Plastikschläuche verbundenen Objekte, die eng aneinander gedrängt im Raum stehen oder von der Decke hängen, summen, sich drehen und ihre Schatten an die Wände werfen, ist beeindruckend und an vielen Stellen auch erdrückend. In der Shortlist-Ausstellung im Hamburger Bahnhof zeigt Katja Novitskova unter anderem die »koloniale Expansion« der Biotechnologie und die Robotisierung des Alltags, denen sie archaisch anmutende Tierbilder entgegensetzt, die an Höhlenmalereien erinnern.

Simon Fujiwara, "Likeness" (2018). Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Simon Fujiwara, „Likeness“ (2018). Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Simon Fujiwara (* 1982 in London, lebt in Berlin) beschäftigt sich mit den ökonomischen, politischen, ethischen und medialen Aspekten der heutigen Massengesellschaft, in der es weder Tabus noch Werte zu geben scheint. So wird alles, was Erfolg, Profit und Aufmerksamkeit verspricht, vermarktet, monetisiert, kommerzialisiert und instrumentalisiert, zum Beispiel auch Anna Frank, die in der Installation »Likeness« zu einer süß lächelnden Pop-Ikone in Form einer Wachsfigur mutiert, der wir beim Schreiben ihres Tagebuchs auf den beiden, über ihr hängenden Monitoren live zuschauen können.

Text & Fotos © Urszula Usakowska-Wolff

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mit Pauline Curnier Jardin, Flaka Haliti, Katja Novitskova und Simon Fujiwara
bis 16. Februar 2020
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin Staatliche Museen zu Berlin >>>
Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin
Öffnungszeiten
Di, Mi, Fr 10-18 Uhr; Do 10-20 Uhr; Sa, So 11-18 Uhr; Mo geschlossen

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