Ein Besuch im Brücke-Museum glich oft einer Wallfahrt an einen heiligen Ort. Man stand ehrfürchtig und bewundernd vor den Werken der Brücke-Künstler. Alle waren präsent: Kirchner und Bleyl. Heckel und Schmidt-Rottluff, Mueller und Nolde. Zwar hatte sich die Gruppe 1913 aufgelöst, aber auf Initiative von Schmidt-Rottluff wurde sie hier wieder versammelt, ein Mausoleum der Andacht, behütet von kunsthistorischen Vestalinnen. Es gab immer wieder neue Ausstellungen, bei denen der reiche Schatz des Depots zu immer wieder neuen Themen an das Kunstlicht der Ausstellungsräume gehoben wurde. Doch es gab selten etwas Neues zu sehen, alles diente der Verehrung der Gruppe und ihrer Mitglieder. Mit der Ausstellung von Vivian Suter gibt das Museum auch der Kunst der Gegenwart Raum.
Auch diesmal wird der Besucher zuerst zu einer Auswahl von Brücke-Bildern aus dem Depot geführt, die Elisabeth Wild, Mutter von Vivian Suter und auch Künstlerin, getroffen hat, um auf die Farbwelt von Bonzos Traum vorzubereiten. Interessant die Ähnlichkeit von Noldes Weiße Stämme (1908) und Kirchners Violette Bäume (1914), letzteres als Rückseite von Sich kämmender Akt und auf dem Rahmen noch versehen mit dem Inventaraufkleber der berüchtigten Ausstellung Entartete Kunst von 1937. In Vitrinen sind kleine Objekte von Schmidt-Rottluff zu sehen, vom Serviettenring bis zum Schachspiel, was Künstler wohl so machen, wenn sie auf das Trocknen der Farbe warten müssen.
Und dann geht es zu den Arbeiten von Vivian Suter. Sie hängen nicht brav in Reih und Glied an den Wänden. Sie ergreifen die Räume, leiten an zum entspannten Rundgang, bei dem man mit jedem Schritt neue Perspektiven entdeckt. Hinter einem großen Bild, das die Farben der Natur des Gartens in Guatemala aufnimmt, verbirgt sich ein Alkoven mit einer großen leuchtend roten Figur, die vom aufgedeckten Oberlicht bestrahlt wird. Vivian Suter bildet die sie inspirierende Natur nicht ab, sondern sie lässt sie auf den Bildern weiterleben. Man entdeckt Spuren von Blättern, Gräsern, Ästen. Und das ist ein Pfotenabdruck von Bonzo, einem von ihren Hunden? Der Besucher betrachtet nicht Bilder eines üppigen Gartens – er spaziert in dem Garten und erlebt die subtropische Vielfalt.
Vivian Suter wurde 1949 in Buenos Aires geboren. In den 1960ern zog sie mit ihren Eltern in die Schweiz, wo sie in Basel an der Kunstgewerbeschule studierte. Seit 1982 lebt sie in Guatemala. In einer ehemaligen Kaffeeplantage bei Panajachel hat sie ihr Paradies gefunden. Auch einer der in dieser Region häufigen Tropenstürme war für sie kein Schadensfall. Seine Spuren wurden Teil ihrer Gemälde.
P.S. Wenn Sie zum Brücke-Museum kommen und eine Beeinträchtigung ihres Vorwärtskommens haben, wird Ihnen geholfen. Die freundlichen und aufmerksamen Mitarbeiter bieten Ihnen einen Rollstuhl an, damit Sie die Kunst entspannt genießen können.
Text © Manfred Wolff >>>
Fotos © Urszula Usakowska-Wolff
Brücke-Museum Berlin >>>
Noch bis zum 14. Februar 2021 (vorerst geschlossen).