In der Doppelausstellung »Natalie Czech / Friederike Feldmann« im Maschinenhaus M2 des KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst treten fast 60 Werke der beiden Künstlerinnen, die sich mit den Beziehungen zwischen Wort, Schrift und Bild befassen, in Dialog.
Es ist kein Zufall, dass die Berliner Künstlerinnen Natalie Czech (*1976 in Neuss) und Friederike Feldmann (* 1962 in Bielefeld) zur Teilnahme an dieser Doppelausstellung eingeladen wurden. Die Kunst ist für sie ein Forschungsprozess, in dem sie untersuchen, wie Bedeutungen konstruiert, modifiziert oder konterkariert werden. Darüber hinaus haben ihre Papierarbeiten ein menschliches Maß und eine Form, die den Blick auf den Inhalt nicht verstellen. Sie sind eine Hommage an das handschriftliche Schreiben, ein Zeichen der Individualität in Zeiten, in denen vielen Menschen diese Fertigkeit abhanden gekommen ist. Und sie machen die auch in prosaischen Dingen und Texten schlummernde Poesie sichtbar.
Lesen Sie die ganze Ausstellungsbesprechung von Urszula Usakowska-Wolff auf art-in-berlin.de >>>
Natalie Czech
Natalie Czech nutzt Buchstaben aus Beschriftungen auf Gegenständen wie Küchenmesser, Bleistifte, Tüten und Schallplatten zur Bildung und Visualisierung von Anagrammen. In der Serie »Poet´s Questions« (2018/2019) bringt sie ihre Bewunderung für Dichter, welche die Poesie revolutioniert haben, zum Ausdruck. Dazu gehören unter anderem Vsevolod Nekrasov, Charles Bernstein, Lev Rubinstein, Allen Ginsberg, Eugen Gomringer, Emmett Williams, aber auch David Bowie. Sie sucht das poetische Potential auch in alltäglichen Texten und Dingen wie selbst gedrehte Zigaretten, denen die Wort- und Bildkünstlerin die mehrteilige Serie und Diaschau unter dem Titel »Cigarette ends« (2019) widmet, in der sie aus deren Markennamen Minimal Poems (zum Beispiel »Kool Kiss«, »Life – Time – Hope – Drama«, »Mary Long – Life – So Long«, »Free Holiday« etc.) konstruiert, was in einer Welt, in der das Rauchen verpönt ist, recht subversiv wirkt – und dem Zeitgeist trotzt.
Friederike Feldmann
Friederike Feldmanns Papierarbeiten sehen so aus, als hätte sie die Künstlerin mit ihrer eigenen Handschrift geschrieben. Doch auch wenn wir an manchen Stellen einzelne Buchstaben zu erkennen glauben, sind ihre Blätter und die temporäre, speziell für das Maschinenhaus M2 des KINDL – Zentrums für zeitgenössische Kunst geschaffene Deckenmalerei mit abstrakten Zeichenketten bedeckt. Von fremden Handschriften – aus der Barockzeit bis ins 19. Jahrhundert – ließ sie sich in ihrer Serie »lyrics« (2012) inspirieren. Die Dynamik dieser mit Schnörkeln, Bögen und wolkenartigen Formen verzierten Blätter ist einfach unbeschreiblich. Einige sehen wie Kalligrafien aus, in anderen meint man Porträts oder Darstellungen von Naturgewalten zu erkennen. Man sehe und staune auch bei der Betrachtung von »Oneliner« (2014-2019), denn die einzelnen Zeichnungen dieser Reihe, so verschlungen sie auch wirken, führte Friederike Feldmann mit nur einer Linie aus.
Text & Fotos © Urszula Usakowska-Wolff
Natalie Czech / Friederike Feldmann
bis 2. Februar 2020
KINDL – Zentrum für Zeitgenössische Kunst
Am Sudhaus 3, 12053 Berlin
Mi-So 12-18 Uhr
www.kindl-berlin.de